Muttergefühle ohne Nachwuchs – warum Hunde unter Pseudogravidität leiden
Dein Hund ist trächtig? Hundewelpen sind das knuffigste der Welt. Doch was, wenn die kleinen, süßen Lieblinge nur zum „Schein“ in der vermeintlichen Hundemama heranwachsen? Diese so genannte Pseudogravidität ist gar nicht so selten und ist vor allem bei kleinen Hunden relativ weit verbreitet. Scheinträchtige Hündinnen zeigen etwa drei bis zwölf Wochen nach der Läufigkeit körperliche und psychische Auffälligkeiten. Die genaue Ursache für das Phänomen der Scheinträchtigkeit ist bisher nicht gänzlich geklärt. Man geht jedoch von einem Atavismus – wieder auftretendes körperliches oder geistig-psychisches Merkmal von entfernteren stammesgeschichtlichen Vorfahren – aus Wolfszeiten aus. Bekannt ist, dass der rasche Abfall des Progesterons (Verbindung in der Gruppe der Sexualhormone) und erhöhte Prolaktinwerte (Hormon, das vorwiegend für das Wachstum der Brustdrüse in der Schwangerschaft und die Laktation in der Stillzeit verantwortlich ist) in der zweiten Hälfte des Metöstrus (Phase nach der Läufigkeit der Hündin) mit verantwortlich sind.
Ist mein Hund läufig?
Um zu verstehen, welche Hormone bei einer Scheinschwangerschaft von Hunden eine Rolle spielen, müssen wir uns den Sexualzyklus der Hündin genauer anschauen. Als Richtlinie können wir sagen, dass der Zyklus bei unseren Fellnasen mehr oder weniger ein halbes Jahr umfasst. Das ist aber keine festgeschriebene Zeitspanne, denn es existieren durchaus Hundedamen, die bereits nach fünf oder aber auch erst nach acht Monaten wieder läufig werden.
Manche Hunderassen lassen sich sogar gerne auch einmal ein ganzes Jahr Zeit, bevor sie sich erneut mit dem Gedanken an eigene Welpen beschäftigen. Im Vergleich zu diöstrische Rassen mit einer Läufigkeit zweimal im Jahr, sind monoöstrische Rassen nur einmal im Jahr läufig (zum Beispiel Basenji oder Wildhunderassen). Ist die Hündin noch recht jung, kann zudem der Zyklus noch variieren. Beobachte und dokumentiere am besten die Läufigkeit deines Lieblingstiers, da Abweichungen auch auf eine Krankheit hinweisen können, wie zum Beispiel Uterus-Pathologie (Mucometra, Hämometra, Pyometra). In der Regel finden die vierbeinigen Ladys aber nach zwei bis drei Runden ihren Takt.
Die Phasen des Sexualzyklus von Hündinnen
Lasst uns der Einfachheit halber nun mit Durchschnittszahlen und -Werten rechnen und einen Zyklus genauer betrachten. Was passiert während der Läufigkeit? In der ersten Phase (etwa neun Tage), bekannt als Proöstrus, ist die Blutung bei der Hündin am stärksten. Während dieser Zeit haben die Östrogene im Hundekörper das Sagen – sie werden hauptsächlich durch die Follikel an den Eierstöcken (Ovarien) produziert. Ihre Aufgaben sind vielfältig, denn sie sind quasi die Steuermänner und -frauen des Sexualzyklus von weiblichen Säugetieren.
Im Östrus (etwa neun weitere Tage) beginnt der Östrogenspiegel dann bereits wieder zu sinken und ein anderes wichtiges Hormon dominiert: Progesteron. Jetzt durchlebt die Hündin den Eisprung und gestattet ihren männlichen Artgenossen die Paarung. Es folgt der Metöstrus mit etwa 60 – 80 Tagen Dauer. Auch in dieser Phase spielt zunächst das Progesteron die Hauptrolle, ganz gleich ob die Hündin in froher Erwartung ist oder nicht. Ruhe gönnt sich der hormongestresste Hundekörper erst wieder in der letzten Phase – dem so genannten Anöstrus, die von wenigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten reicht (zur Vollständigkeit: Präproöstrus = Übergangsphase zwischen Anöstrus und Proöstrus, Dauer: einige Tage – 3 Wochen, in der Phase beginnt wieder das Follikelwachstum und die Östrogenwerte steigen wieder an).
Was ist eine Scheinträchtigkeit?
Bei der Scheinschwangerschaft oder Scheinträchtigkeit verhält sich der Hormonhaushalt der Hündin so, als wäre sie trächtig und das, obwohl sie nicht tragend ist. Das heißt, dein Vierbeiner weist in der Lutealphase (beginnt mit dem Eisprung und endet mit der Regelblutung) eine sehr ähnliche Konzentration des Gelbkörperhormons Progesteron auf, wie die trächtigen Artgenossinnen.
Im Normalfall steigt ab etwa dem 30. – 35. Tag nach dem Eisprung bzw. mit Beginn der Regression des Progesterons der Prolaktinspiegel und bleibt dann einen gewissen Zeitraum leicht erhöht. Das führt zu einer kaum wahrnehmbaren Ausbildung der Zitzen. Während der Schwangerschaft fördert das Prolaktin – zusammen mit Östrogen und Progesteron – die Entwicklung des Gesäuges und die Milchbildung zum Stillen der Welpen. Kommt es also in dieser Phase zu einer Scheinträchtigkeit, ist die Prolaktinsekretion deutlich gesteigert. Sie entspricht annähernd dem Niveau trächtiger Hündinnen (20–30 ng/ml). Die Zitzen sind folglich auch für dich deutlich zu sehen und es kommt unter Umständen zum Milchfluss (Lactatio falsa). Entwickelt sich eine Pseudogravidität, zeigt sie sich etwa drei bis zwölf Wochen nach der Läufigkeit und dauert in der Regel zwei bis drei Wochen an.
Symptome und Diagnose einer Pseudogravidität bei Hunden
Die physischen Symptome einer Scheinträchtigkeit können jedoch auch anderen Leiden zugesprochen werden. Daher muss der Tierarzt bei Verdacht unbedingt Erkrankungen mit ähnlichen oder sogar nahezu gleichen Anzeichen – mittels sogenannter Differenzialdiagnosen – ausschließen. Mögliche Erkrankungen wären:
- Kurze Zeit nach einer Ovariektomie – Entfernung eines oder beider Eierstöcke aufgrund von beispielsweise Zysten oder Tumoren
- Brustdrüsenentzündung (Mastitis) vor allem in der Nachgeburtsphase
- Adenokarzinome
- Primärer Hypothyreoidismus – mangelnde Versorgung des Körpers mit den Schilddrüsenhormonen Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) und damit eine Unterfunktion der Schilddrüse
Bei Symptomen einer ausgeprägten Pseudogravidität solltest du also auf jeden Fall den Tierarzt aufsuchen. Nicht nur um andere Erkrankungen auszuschließen, sondern auch damit du nicht plötzlich doch mit einer Schar Welpen überrascht wirst. Nach der Anamnese wird dein Tierarzt deinen Liebling daher körperlich begutachten. Eine Ultraschall-Untersuchung nach dem 25. Tag geben ihm Gewissheit, ob deine Fellnase trächtig ist oder nicht.
Therapie einer Scheinträchtigkeit bei Hunden
In der Regel ist eine Scheinträchtigkeit kein Grund für übertriebene Sorge. Denn gewöhnlich verschwinden die Symptome bereits nach wenigen Wochen von allein. Stellst du nur geringe psychische Veränderungen fest, kannst du deine Hundedame relativ leicht selbst therapieren. Versuche dein Lieblingstier durch Spaziergänge, Spieleinheiten oder sportliche Betätigungen abzulenken. Wenn sich dein vierbeiniger Schützling wiederholt um ein bestimmtes Spielzeug kümmert und es besonders beschützt, kannst du versuchen, es ihm sanft zu entziehen und zu verstauen. Das hängt aber schwer vom Charakter deiner Hündin ab und darf nicht als generelle Empfehlung verstanden werden.
Ist die Pseudogravidität sehr stark ausgeprägt, musst du mit deinem Tierarzt über eine mögliche medikamentöse Therapie sprechen. Auch bei extremen Verhaltensauffälligkeiten, wie besonderer Aggressivität oder anhaltende Inappetenz, ist es ratsam, deine Fellnase von einem Tierarzt behandeln zu lassen. Meist erlösen bestimmte Prolaktinhemmer dein Lieblingstier dann von den belastenden Symptomen. Leckt deine Hündin vermehrt an ihrem Gesäuge, kann auch ein Halskragen helfen.
Mitunter kommt es vor, dass Tierärzte zu einer Kastration raten. Das ist von Fall zu Fall zu entscheiden und kann unter Umständen die Lösung für sich wiederholender oder andauernder Scheinträchtigkeit sein. Die Kastration sollte dann aber in der Anöstrusphase erfolgen, da nach Entfernung der Eierstöcke im Metöstrus wiederum mit einer ausgeprägten Scheinträchtigkeit zu rechnen ist.
Zusammenfassend gilt: Eine Pseudogravidität ist zunächst kein Grund zur Sorge. Sie sollte bei ausgeprägten Symptomen aber von einem Tierarzt untersucht und betreut werden.
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